Einzigartige Flusslandschaft in Deutschland
Pflegemaßnahmen: Wasserbüffel sollen Wiesen- und Auenbereiche beweiden
von Willi Tempel
Die Ahr ist der einzige von 42 Nebenflüssen des Rheins von der Schweiz bis zu den Niederlanden, der in seinem Mündungsgebiet auch heute noch streckenweise in einem selbst geschaffenen Bett fließt. Sie mündet direkt gegenüber Linz in den Rhein. Bis dahin hat sie von ihrer Quelle in Blankenheim eine Strecke von 85 Kilometern hinter sich.
Das mit hohen Bundesmitteln geförderte Naturschutzgebiet (NSG) „Ahrmündung“ ist auch ein NATURA-2000-Gebiet (FFH- und Vogelschutzgebiet) mit nationaler und internationaler Bedeutung. So konnte sich der Fluss – zumindest über weite Strecken – bis heute etwas von seinem natürlichen Charakter bewahren. Allerdings ist der direkte Mündungsbereich längst nicht mehr natürlich. Schon früher gab es hier Regulierungsmaßnahmen. Diese mündeten im Jahr 1985 in einen massiven Eingriff: Hierbei wurde das rechte Ahrufer, kurz vor der Mündung in den Rhein, bis an den quer verlaufenden Fahrradweg, auf einer Länge von rund 150 Metern mit einer massiven Steinschüttung begradigt. Hintergrund für diesen Eingriff in das Naturschutzgebiet war damals die Fortführung des Fahrradweges in diesem Bereich. Eine Tropenholzbrücke führt seitdem den Radweg im Mündungsbereich über die Ahr. Diese hat jedoch bei Hochwässern eine derartige Dynamik, dass sie ihr Bett ständig verändert – und sich auch weiterhin einen anderen Zulauf in den Rhein sucht.
Das Mündungsgebiet der Ahr wurde von der damaligen Bezirksregierung Koblenz mit Rechtsverordnung vom 15. März 1977 in einer Größe von zunächst 55 Hektar als Naturschutzgebiet ausgewiesen. In der Zeit von 1979 bis 1981 flossen 396.200 DM an Bundesmitteln in dieses Naturschutzprojekt „zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeutung.“ Mittlerweile konnte das Gebiet auf eine Gesamtfläche von mittlerweile 63 Hektar erweitert werden. Schutzzweck ist gemäß § 3 der Verordnung vom 23. Juni 1981 „die Erhaltung des natürlichen Mündungsgebietes der Ahr mit seinen Wasser-, Sand- und Schlammflächen sowie als Lebensraum seltener in ihrem Bestand bedrohter wildwachsender Pflanzen und seltener in ihrem Bestand bedrohter Tier- insbesondere Vogelarten aus wissenschaftlichen Gründen.“ Mit der Unterschutzstellung solle das Gebiet langfristig gesichert werden, dessen Erscheinungsbild sich durch natürliche Flussdynamik auch heute noch fortwährend wandele.
Freies Mäandrieren
Durch freies, unkontrolliertes Mäandrieren, ständiges Auf-, Ab- und Umlagern von Schlick-, Sand-, Kies- und Schottermassen werden die Voraussetzungen für das Überdauern flussauentypischer Pionierbiozönosen geschaffen, wie sie großflächiger nur noch in Wildflusslandschaften anzutreffen sind. Die Ahrmündung unterliegt einem fortwährenden Wechselspiel zwischen Rhein und Ahr. Zu Zeiten des Rheinhochwassers steht sie durch Rückstau über die Grenzen des Naturschutzgebietes hinaus vollständig unter Wasser. Die Ahr lagert dann infolge der verringerten Fließgeschwindigkeit Kies- und Sandbänke an, die den mittleren Ahrwasserstand übersteigen können. Bei Rheinniedrigwasser erhält die Ahr wieder Gefälle, und es kommt zu erneuten Abtragungen von angelandeten Materialien, einschließlich der durch Seitenerosion hervorgerufenen Uferabbrüche.
Neben einer großen Zahl von Pflanzen beherbergt das Naturschutzgebiet Mündungsgebiet der Ahr auch eine Vielzahl seltener Tiere. So kommen dort neben zahlreichen anderen Arten Eisvogel, Gartenrotschwanz, Schwanzmeise, Pirol, Gebirgsstelze und Rohrammer vor. Für diese sind Brutnachweise vorhanden. Durchaus eine Besonderheit ist der Flussregenpfeifer, der die offenen Kiesbänke dort zur Brut nutzt. Jedoch ist dieses Gebiet auch für Durchzügler, wie etwa Flussseeschwalbe und Waldwasserläufer sowie für Wintergäste, ebenso von großer Bedeutung als Nahrungs- und Rastbiotop. Auch die Fischfauna in Ahr und Ahrmündungsbereich ist wertvoll. So kommen dort unter anderem noch stark gefährdete wie Nase, Äsche und Barbe vor, deren Eiablage bevorzugt auf flachen Kiesbänken erfolgt. Auch die ebenfalls bedrohten Flussäsche, Bachforelle, Flussneunauge und Stichling, die auf sauerstoffreiche Gewässer angewiesen sind, finden hier noch einen Lebensraum. Die Stadt Sinzig hat in den letzten Jahren durch Änderung der Pachtverträge die extensive Bewirtschaftung der Flächen im Bereich des Naturschutzgebietes erreicht. Nun gibt es Planungen, die großen Wiesenflächen des NSG`s durch Wasserbüffel zu beweiden, und punktuell Beobachtungsmöglichkeiten für Besucher zu errichten. Die Finanzierung des Beweidungsprojektes soll voraussichtlich über Ersatzgelder der Oberen Naturschutzbehörde finanziert werden. Zudem plant Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V. dort parallel ein Projekt „Barrierefreier Naturerkundungspfad“ im Rahmen des EU-Programms EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung).
Die Ahr verlagert ihren Lauf auch weiterhin unablässig. Mittlerweile hat sich ein typischer Mäander mit gegenläufiger Fließrichtung entwickelt. Derzeit gräbt sich die Ahr im südlichen Teil des Naturschutzgebietes ein, und nicht wie erwartet in die nördlich gelegenen Ankaufflächen. Eine Vorhersage, wie die Entwicklung auf lange Sicht weitergehen könnte, ist trotz jahrzehntelanger Ortskenntnisse nicht möglich. So kann etwa ein einziges Rheinhochwasser, das mit einem kräftigen Ahrhochwasser zusammentrifft, eine ganz neue, unerwartete Situation schaffen. Diese Entwicklung sollte man in aller Ruhe verfolgen. Bei einem eventuellen Ahrdurchbruch bedürfte es dann einer relativ minimalen Rückverlegung des Radweges Flussaufwärts zu der bereits bestehenden Rad- und Fußgängerbrücke im Bereich der Sportanlagen.
Rheinbrücke durch NSG?
Bereits seit Jahrzehnten fordern einige Politiker aus den Kreisen Ahrweiler und Neuwied den Bau einer Rheinbrücke zwischen Linz und Kripp. Dieses würde wegen der bereits bestehenden Bebauung unweigerlich durch oder über dieses herausragende Naturschutzgebiet von nationaler und internationaler Bedeutung führen. Naturschützer befürchten zudem, dass die dann vierspurige Verbindung zwischen der A 3 und der A 61 durch das Ahrtal faktisch zu einer strategischen Kölner Südumgehung würde – mit absehbar stark ansteigender (Schwerlast)-Verkehrsbelastung für die Rhein- und Ahrregion. Hierzu haben sich Mitte Juli 2018 bei einem gemeinsamen Pressetermin Hans-Günther Fischer (Verbandsbürgermeister Linz), Herbert Georgi (damaliger Bürgermeister Remagen) sowie Andreas Geron (Bürgermeister Sinzig) unmissverständlich geäußert: Diese verweisen übereinstimmend ebenfalls auf die bereits heute ohnehin stark von Verkehrslärm und Emissionen geplagten Menschen in dieser Region.
Elmar Knieps (Sinzig) vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit diesem Naturschutzgebiet. Und verfolgt daher auch die aktuellen Entwicklungen ständig vor Ort. Knieps: „Die Steinschüttung direkt oberhalb der Brücke im direkten Mündungsbereich ist weitgehend wegerodiert.“ Und weiter: „Wie im gesamten Bereich unterhalb der Eisenbahnbrücke, wo ja vor einigen Jahren Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, verwildert der Ahrlauf auch hier zunehmend. Nach jedem Hochwasser gibt es neue Uferabbrüche, neue Sand- oder Kiesbänke und auch wieder trocken gefallene Abschnitte, weil sich die Stromrinne verlagert hat. Sand- und Kiesbänke verschwinden auch von einem Jahr aufs andere wieder.“ Die Ahr zeige hier eine wirklich beeindruckende Dynamik. Ein Stück südlich der Kripper Radwege-Brücke seien es vom Prallhang der Ahr, der hier von einer etwa zwei Meter hohen Lehmwand gebildet wird, bis zum Radweg (Leinpfad) vielleicht noch 30 Meter. „In den nächsten Jahren wird die Ahr hier wohl zum Rhein hin durchbrechen. Die Brücke führt dann auf eine kleine Insel. Nach Kenntnis des BUND lehnt die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in diesem Naturschutzgebiet Eingriffe strikt ab.“ Die Stadt Sinzig habe die Pachtverträge mit nicht extensiv wirtschaftenden Landwirten gekündigt. Darüber hinaus arbeite man wohl an einem Beweidungskonzept für das NSG. „Eine Biotoppflege nach unseren Vorstellungen gibt es bis heute ja allenfalls in Ansätzen,“ so Knieps weiter. „Die Bürgermeister von Remagen und Sinzig unterstützen diese Bemühungen offenbar, was wir in der Vergangenheit eher nicht feststellen konnten. Zwar werden einige der Kiesbänke im Sommer als Grillplätze genutzt, aber weite Bereiche des Mündungsgebietes sind ohne Boot kaum erreichbar, also beruhigt. Auf einem längeren Abschnitt ist der ehemals direkt am Ufer verlaufende Radweg südlich der Ahr im Zuge der Renaturierungsmaßnahmen rückgebaut worden Hier ist ein schmaler Fußpfad entstanden, der zwar regelmäßig begangen wird, aber die Frequentierung hat deutlich abgenommen. Ab der Eisenbahnbrücke verläuft der Radweg nun durch das Sinziger Wohngebiet östlich der Bahn, und über einen Wirtschaftsweg in Richtung Rhein – auf dem letzten Kilometer etwa auf der NSG-Grenze bis zum Leinpfad.“ Und Elmar Knieps abschließend: „Insgesamt entwickelt sich das NSG gut.“
Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz hat stets die hohe Bedeutung dieses Naturschutzgebietes betont. Aktuell seien weitere Abstimmungsgespräche mit kommunalen Vertretern und des Landkreises geplant. Zu der weiteren Entwicklung des NSG`s, speziell bei einem möglichen Ahrdurchbruch, äußerte sich die SGD Nord Ende September 2018 wie folgt: „Ziel ist es, dass die Ahr sich durch ihre eigene Umgestaltungsenergie ihrem ursprünglichen, naturnahen Zustand wieder annähern kann. Die weitgehend natürliche Gewässerdynamik und das freie Mäandrieren der unteren Ahr sind aus naturschutzfachlicher Sicht ausdrücklich erwünscht. Aktuell ist mit Blick auf das natürliche Fließverhalten der Ahr keine fortschreitende Erosion der Ufer in Richtung Rhein festzustellen. Somit steht ein Durchbruch der Ahr zum Rhein zurzeit nicht bevor. Gemäß des Gewässerentwicklungsplans (GEP) ist entlang des Radweges ein „Schutzstreifen“ von 15 Metern vorgesehen, der aktuell eingehalten wird.“
Zum geplanten Beweidungsprojekt seien die Reaktionen anlässlich einer öffentlichen Präsentation bei der Stadt Sinzig überwiegend positiv gewesen. Jedoch werden aus dem ebenfalls an das Naturschutzgebiet „Ahrmündung“ angrenzenden Kripp Bedenken werden der Umzäunung des Gebietes im Ahrberiech geäußert, insbesondere bei Ahrhochwasser. Hierzu teilte die Pressestelle der SGD Nord jetzt zusätzlich mit:
„Schwimmerbasiertes System“
„Da bei einer Beweidung mit Wasserbüffeln grundsätzlich keine besonderen Anforderungen an die Hütesicherheit zu stellen sind, ist eine Einzäunung mit einem üblichen, an Spaltpfählen geführten, 3-zügigen stromführenden Weidezaun mit Entkopplungswiderstand vorgesehen. Die derzeitige Abgrenzung der Weidefläche sieht an 2 Stellen eine Querung der Ahr vor, so dass an diesen Stellen jedoch ein besonderes Augenmerk an eine hütesichere Zäunung zu legen ist. Welche Lösung an diesen beiden Stellen zum Tragen kommt, ist noch nicht abschließend entschieden, denkbar ist z.B. ein schwimmerbasiertes System, das sich – wie bei dem in der Anlage beigefügten Beispiel dargestellt – automatisch dem Wasserstand anpasst. Hierzu erfolgen derzeit aber noch Recherchen, um bei der Beweidung des „Ahrmündungsgebietes“ auch das nach neuestem technischen Standard sicherste System nutzen zu können“.
Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) in Laufen hat hierzu eine Schrift herausgegeben: Zahn Andreas (2014): Beweidung an Fließgewässern. In: Burkart-Aicher, B. et al., Online-Handbuch „Beweidung im Naturschutz“, www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/handbuchinhalt.htm.
Positiv äußert sich auch der Sinziger Stadtbürgermeister Andreas Geron:
„Die Entscheidung für die exotischen Wasserbüffel, die mittlerweile in vielen Teilen Deutschlands ganz bewusst in Naturschutzgebieten gehalten werden, resultiert aus der Tatsache, dass sie mit ihrem Verhalten auf ganz unterschiedliche Weise dazu beitragen, den natürlichen Lebensraum der seltenen Tiere, die in Sinzig an der Ahrmündung leben, zu erhalten. Als Vielfresser bevorzugt der Wasserbüffel im Gegensatz zu Rindern oder Pferden nicht nur das saftige Wiesengrün, sondern ernährt sich von Gräsern, die im Wasser wachsen. Durch ihre Vorliebe fürs kühle Nass und den großen Appetit lockern sie die Erde auf und sorgen dafür, dass sich das Ufer ständig verändert. Das bietet zahlreichen höhlenbrütenden Vögeln ausgezeichnete Nistbedingungen. Auch andere Tierarten profitieren von der Beweidung. Und es gibt eine weitere positive Auswirkung, die aber eher touristischer Natur ist: Durch die Attraktion, die diese robusten Riesen zweifelsohne darstellen, wird dieses Kleinod Besucher anziehen – und eine Aufwertung für Sinzig sein. Einheimische sowie Gäste werden gleichermaßen profitieren.“