12/2023. Ahrweiler/Ahrtal. Durch die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 wurde auch die Ahrtalbahn im mittleren und oberen Teil weitgehend zerstört. Weiter unterhalb gab es besonders im Bereich des Bahnhofes Heimersheim massive Schäden. Politik und Deutsche Bahn versprachen seinerzeit bei einer Veranstaltung am Bahnhof Remagen einen zügigen Wiederaufbau der Ahrtalbahn – nach neuestem Stand der Technik. Hierzu gehörten unter anderem ein elektronisches Stellwerk (ESTW) und die Elektrifizierung der gesamten Strecke zwischen Ahrbrück und Remagen. Dank schnellem Einsatz der Bautruppen verkehrten schon nach relativ kurzer Zeit (November 2021) wieder die Züge zwischen Walporzheim und Remagen, zunächst mit herkömlicher Regelung und zum Teil eingleisigem Betrieb.
Derzeit laufen auf etlichen Baustellen auch ahraufwärts die Arbeiten zum Wiederaufbau, deren Fortschritte tagtäglich zu beobachten sind. Und der Zweckverband SchienenPersonenNahVerkehr (SPNV) Nord setzte sich frühzeitig dafür ein, dass an der Ahrtalbahn gleich vier neue Haltepunkte eingerichtet werden sollen. Schließlich entstanden hinter dem Baumarkt in Ahrweiler – unweit vom Bahnhof – und in Bad Bodendorf zwei neue ESTW, die am 11. Dezember Punkt 12.00 Uhr für den Zugbetrieb zwischen Walporzheim und Remagen in Betrieb gegangen sind. Allerdings ist nur Ahrweiler von einem Fahrdienstleiter besetzt, wogegen Bad Bodendorf ferngesteuert eingebunden ist. Eine Woche zuvor hatte man bei ansonsten gesperrtem Bahnbetrieb Extra-Züge eingesetzt, um zu testen, ob das System mit elektronischer Steuerung zuverlässig funktioniert. In dieser Zeit gewährleisteten über die Verbindung zur Mittelahr hinaus zusätzliche Ommnibusse im Schienersatzverkehr die Personenbeförderung bis Remagen.
Mit der Inbetriebnahme der elektronischen Stellwerke werden die personell besetzten, handbetriebenen Stellwerke an den Bahnhöfen verschwinden – und damit auch ein großes Stück Bahn-Nostalgie. Diese Stellwerksanlagen wurden bereits im Jahr 1910 erbaut und boten bis zuletzt eine hohe Betriebssicherheit, insofern sie nicht von der Flut in 2021 betroffen waren. Der Wechsel zur modernen Stellwerkstechnik erforderte auch die Installation neuer Signalmaste, während die bisherigen demontiert werden – sukzessive über die gesamte Streckenlänge von 28 Kilometern. (Remagen km 1,1 bis Ahrbrück km 29,1).
Neueste Technik
Im Rahmen eines Pressetermins gab DB-Teilprojektleiter Jonas Haffmann eine Übersicht über die Planungen. Die Strecke werde nach den Bauarbeiten auf neuestem Stand der Technik sein. Mit der Umsetzung liege man voll im Zeitplan. Der Wiederaufbau bringe wieder Bahnverkehr in die Region. Durch das neue elektronische Stellwerk entfalle auch die personelle Sicherung der vier Bahnübergänge im Bereich Bad Neuenahr-Ahrweiler. Von Beginn an habe man bei der Planung sehr eng mit Kommunen und Behörden – wie etwa dem Landesbetrieb für Mobilität (LBM) – zuammengearbeitet, auch wegen der Radwege-Trassen. Neue Bahntrassen und Brücken sollen möglichst flutsicher errichtet werden. Bereits frühzeitig habe die Bahn auch geprüft, ob die fünf Tunnel auf der Strecke elektrifizierbar sind. Durch verschiedene Maßnahmen ist dies möglich. Hierzu konnte die Murgtalbahn im Schwarzwald als Beispiel herangezogen werden. Bei den beiden Mayschosser Tunneln unter der Saffenburg bringt der Wiederaufbau einen Wechsel: Wo bislang Fahrräder fuhren, verkehren fortan Züge – und umgekehrt. Gearbeitet wird auch an weiteren Haltepunkten. Schließlich werden auch Haltepunkte verbessert, wie etwa am Bahnhof Bad Bodendorf durch Umbaumaßnahmen für zwei Außenbahnsteige und ein ESTW. Bei den Bauarbeiten sei man voll im Zeitplan, verkündete Jonas Haffmann. Er geht daher davon aus, dass die Strecke bis Ahrbrück – wie geplant – bis Ende 2025 in Betrieb gehen kann. Gleichzeitig soll dann an der Ahr auch ein Zwanzig-Minuten-Takt gefahren werden. Zweimal Ahrbrück – Remagen, und stündlich eine durchgehende Verbindung Ahrbrück – Köln. Diese Planungen hat der SPNV Nord bereits frühzeitig verkündet.
Technik aus 1910
Ein Bild von der alten Technik aus dem Jahr 1910 konnte man sich im Stellwerk am Bahnhof Ahrweiler machen. Hier erklärten die Fahrdienstleiterin sowie der Bezirks-Betriebsleiter, Sascha Hennen, die Abläufe in diesem durchaus musealen, aber noch wie vor bestens funktionierenden System. Die Züge werden telefonisch angemeldet. Und Signale und Weichen noch von Hand, mit echter Muskelkraft, betrieben. Im neuen ESTW Ahrweiler erläuterte Betriebsleiter Georg Laumen die moderne Technik. Mit der Steuerzentrale kann die ganze Strecke der Ahrtalbahn versorgt werden. Nach Einführung des ESTW muss der Fahrdienstleiter die Abläufe am Bildschirm überwachen. Und er braucht nur dann einzugreifen, wenn Störungen auftreten. Dort sind zwei identische Arbeitsplätze. So könnten bei Bedarf etwa Baustellenbereiche und der übrige Planverkehr getrennt gesteuert werden. Direkter Kontakt zu den Lok- bzw. Triebwagenführern besteht nur bei Bedarf. Theoretisch wäre es mit dieser Stellwerkstechnik sogar möglich, jeden anderen Bahnhof in Deutschland zu bedienen. Im Vorfeld mussten rund 40 Signale, Weichen u . a. zwischen Walporzheim und Remagen angepasst oder erneuert werden. Das neue System lasse es auch zu, Gleise kurzfristig zu wechseln, so Hennen. Schließlich ist auch ein „Achszähler“ integriert. Der verknüpft verschiedene Sensoren zur Erfassung bzw. Zählung durchfahrender Züge. So werden Zugachsen bei der Einfahrt von einem Abschnitt auf einen neuen zuverlässig erfasst.
Mit Einführung des ESTW wurden die handbetriebenen mechanischen Stellwerke in Bad Bodendorf, Bad Neuenahr, Ahrweiler und Walporzheim nicht mehr benötigt. Am Standort Ahrweiler Bahnhof plant die IG Ahrtalbahnfreunde e.V. die Einrichtung eines Bahnmuseums, um die alte Bahntechnik sowie die interessante Geschichte der Ahrtalbahn für nachfolgende Generationen zu erhalten.
Text: Willi Tempel, Fotos: Tempel (3), Görgler (1)